Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
Christian Krug vom Lehrstuhl für Anglistik, Literatur und Kulturwissenschaft hat sich in verschiedenen Veröffentlichungen mit den Werken Shakespeare's auseinandergesetzt.
In seinem Vortrag beschäftigt er sich mit einigen heroischen Helden aus den Dramen Shakespeare's.
Was ist ein Held? Was eine Heldin? Was ist heute noch ein Held?
Zuweilen wird beklagt, dass in unserem postmodernen, postheroischen Zeitalter uns die Helden abhanden gekommen sind,
dass sie uns klein geworden sind. Die Orte ihrer Erinnerung, zumindest wenn wir diesem Straßenschild hier glauben dürfen,
nur noch schmale Gässchen sind, die, jedenfalls in Nürnberg, wo dieses Foto aufgenommen wurde,
zwischen zwei billigen Bekleidungsläden entlang verlaufen und an einer Pommesbude enden.
Gott sei Dank gibt es Shakespeare, dessen Dramen uns weiterhin mit einer Vielzahl von Helden und Heldinnen versorgen.
In diesem Gemälde aus dem 19. Jahrhundert sehen Sie einige der populärsten von Ihnen versammelt,
darunter Othello, Forsthaf und einen natürlich grübelnden Hamlet.
Shakespeare's Helden und Heldinnen haben längst ein Eigenleben angenommen.
Sie scheinen zu eigenständigen Figuren geworden zu sein, ein Phänomen,
das sich seit dem späten 18. Jahrhundert beobachten lässt.
Seit dieser Zeit werden Sie, wie in diesem Gemälde hier, zunehmend aus Ihren dramatischen Kontexten herausgelöst und poetisiert.
Dadurch werden Sie mobil. Sie lassen sich in immer neue Kontexte stellen und instrumentalisieren.
In meinem Vortrag werde ich genauer nachzeichnen, wie dies mit der Figur Heinrichs V. in England und Hamlet in Deutschland geschieht.
Was aber nun sind wahre Helden und gibt es diese noch?
Es zeigt sich, dass diese Frage schon für Shakespeare nicht leicht zu beantworten war.
In Shakespeare's Dramen gibt es nur eine Figur, die den Namen Held trägt.
Es ist Hero aus der Komödie, viel Lärm um nichts.
Diese Held zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie passiv bleibt und selbst kaum handelt.
Einige Szenen lang gilt sie sogar als tot.
Zweimal findet sich bei Shakespeare der Plural, Herous, beides mal in ironisch distanzierter Form.
Auch sprachlich wandelt sich die Bedeutung des Substantivs Hero in Shakespeares Zeit.
Während es im Mittelenglischen noch im Sinne von so etwas wie Halbgott gebraucht wurde,
bezeichnet es im 16. Jahrhundert jeden, der mutige oder nobler Handlungen vollbringt,
einen berühmten oder erhabenen Krieger, so das Oxford English Dictionary.
Mit dem 17. Jahrhundert wird es dann in Bezug auf schlicht jedwede Handlung, Arbeit oder Unternehmung verwendet
und fällt seitdem auch mit dem Protagonisten einer Handlung zusammen.
Auch in einem sprachhistorischen Sinne, also werden Helden zu Shakespeares Zeit gewöhnlich.
Und wenn Shakespeare über historische Heldenfiguren schreibt, wie in seinen Römerdramen zum Beispiel,
dann wird deren Heldentum problematisiert, kritisiert oder die vermeintlichen Helden erscheinen allzu menschlich,
so wie Julius Caesar. Dazu komme ich auch noch.
Der deutsche Anglist Manfred Pfister hat daher treffend bemerkt, dass Helden bei Shakespeare vor allem zu einem taugen,
nämlich ihren Heroismus zu problematisieren oder zu demontieren.
Er betrachtet Shakespeare's Dramen als eine fortgesetzte Anatomie des Heroischen,
eine, Zitat, systematische und kritisch analysierende Zergliederung der Top-Roy und Strategien der Heroisierung
und dessen, was als Heldentum gelten will.
Dies gilt insbesondere für die drei Dramen, die ich im Folgenden behandeln werde.
Hanrich V., Julius Caesar und Hamlet.
Sie sind allesamt im Zeitraum von ungefähr zwei Jahren erschienen, zwischen 1599 und 1600.
Und in jedem von ihnen wird Heldentum intensiv befragt.
Nicht also erst in unserem postheroischen Zeitalter scheinen Helden also als etwas auf,
was in der Vergangenheit lokalisiert wird, was verloren scheint.
Auch für Shakespeare gilt dies bereits.
Ein wahrhaft heldenhaftes Handeln lässt sich bei ihm maximal erinnern.
Und an eben diesen Erinnerungen drohen die neuen Helden zu scheitern.
Für keine Figur gilt es vielleicht so sehr wie für Hamlet.
Ihm begegnet mit dem Geist seines Vaters nämlich eben auch ein tradiertes Modell von Heldenhaftigkeit
Presenters
Dr. Christian Krug
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:32:26 Min
Aufnahmedatum
2016-06-16
Hochgeladen am
2017-02-01 13:38:56
Sprache
de-DE
Der Vortrag widmet sich den ‚heroischen’ Helden einiger der bekanntesten Dramen Shakespeares, darunter Hamlet, Heinrich V, Julius Caesar und Richard II. Heldentum in Shakespeares Dramen wird gefeiert, parodiert, problematisiert und hinterfragt; militärisches Heldentum wird ebenso inszeniert wie ein heroisches Leiden (Richard II) oder auch die heroische Völlerei (Falstaff). Einige der Hauptfiguren Shakespeares wurden zudem zu nationalen Helden erhoben – so haben manche Deutsche ab dem 18. Jahrhundert Hamlet als ihren intellektualisierten ‚Helden der Worte’ adoptiert; Heinrich V. wird zur Zeit des 2. Weltkriegs zum Heros einer nationalen britische Einheit.